Hintergründe zu den Offenen Abenden in Wendenreute

Erster Termin 07.07.2015, 18.30-20Uhr, mehr unter Sonstige Termine.

Vorab: Sehen Sie diese Abende als Chance, Erkenntnisse, die Sie selbst über sich gewinnen können, in Ihrem Alltag lebendig werden zu lassen.

Immer wieder merke ich bei meiner individuellen Heilarbeit mit Menschen, dass Übungen - seien es körperliche oder geistige - sehr lösgelöst vom Alltag betrachtet werden. Direkte Verknüpfungen werden nicht immer hergestellt. Es klingt schön, wenn man sagt: So wie der Atem fließt, so fließt das Leben…, doch was da vielleicht schön klingen mag, ein nettes Sätzchen sein mag, hat einen direkten Bezug zum Leben, zu unserer individuellen Geschichte, zu unserer Lebensaufgabe, zu unserem täglichen Sein.
Und vielleicht üben wir den Atem, nehmen einen bestimmten Rhythmus auf, vielleicht drehen wir unseren Körper von links nach rechts, liegen am Boden und entspannen, … - doch lassen wir wirklich unseren Atem fließen, lassen wir wirklich los in der Entspannung, lassen wir dieses äußere Tun überhaupt in uns ankommen, damit wir den Atem auch sonst im Leben fließen lassen, um bei diesem Beispiel zu bleiben? Bleibt die Übung eine abgetrennte Einheit oder wird sie als Werkzeug sich in Gänze zu erfahren, erlebt? Viele gehen auch sofort in eine beurteilende oder kommentierende Haltung: ja, das kenne ich, das habe ich auch schon gemacht, aber anders, das ist mir zu langsam, und das ist so und so, … - ohne auch nur einmal tief in sich hinein gespürt zu haben, ob und wie das Tun in diesem Moment berührt.

Und da kommen wir zur inneren Bereitschaft, sich auf etwas einlassen zu können. Genau darauf möchte ich den Fokus legen. Denn es gibt so viele schöne Sätze und Anregungen - wenn diese Theorien oder in sich fertigen Übungen, eine bloße Übung bleiben, im Alltag nichts davon ankommt, dann fehlt im Grunde der wichtigste Teil der Übung, nämlich die Essenz der Übung, die in uns ankommen möchte. Gerade deshalb wollen wir uns darin üben, das, was wir zusammen tun, zu erleben und uns davon berühren zu lassen. Jeder darf sich auf seine Art und Weise darauf einlassen, damit die Essenz davon verinnerlicht werden kann, sich in uns verankert und ihren Platz im Alltag findet.

Ein gutes aktuelles Beispiel im Großen ist dieses:
Die meisten werden von der Tat in Charleston gehört haben. Aus Hass auf Schwarze, wurden von einem Weißen, 9 Schwarze erschossen.
Sogleich die Frage: Wie konnte das passieren, wo doch formal - aus der Geschichte gelernt - Weiße und Schwarze die gleichen Rechte haben und jeder wissen sollte, dass die Hautfarbe keine „gut oder böse Definition“ sein sollte.
Doch was da passiert ist, zeigt, wie nicht die formal abgeschaffte Sklaverei/Rassentrennung wirkte, sondern Hass und Überheblichkeit die Erfahrung immer noch prägt, weil Ängste und Überheblichkeit nie bewältigt wurden. Der formale Akt die Rassenproblematik zu überwinden, fand ohne Verinnerlichung statt, ohne innere Aufarbeitung, und so leben alte Strukturen eben weiter, entwickeln ein Eigenleben im „Hintergrund“, die im schlimmsten Fall so eine Tat hervorbringen können. Das ist hier natürlich eine stark vereinfachte Darstellung, die jedoch zeigt, dass eine Wiederholung der Geschichte sehr wohl möglich ist. Wir können noch so oft sagen: aus der Geschichte muss man lernen - doch dieses Lernen erfordert, dass wir nicht über den Kopf lernen, sondern über das Herz nachvollziehen können; Empathie lernen, merken, wenn wir aus purem Hass handeln oder eben in Liebe und unsere Sensoren, unsere Unterscheidungskraft dahingehend wieder schulen, uns fragen, woher dieser Hass rührt, der ja letztlich als „Stellvertreterkrieg“ in letzter Konsequenz ausgelebt wird.

Dazu gehört auch, dass wir das Herz mindestens genauso wichtig nehmen wie den Kopf. Hinzuzufügen wäre, dass mit Herz keine Gefühlsausbrüche - egal in welcher Art - gemeint sind, sondern die Verbindung mit unserem neutralen Beobachter, der mit „oben“, der geistigen Welt, in welcher das gesamte universelle Wissen abgespeichert ist - darin auch enthalten unsere Lebensaufgabe - verlinkt ist.
Diesem Herzensruf war auch Obama bei seiner Rede gefolgt und ließ ihn Amazing Grace anstimmen und berührte so viele Menschen tief im Herzen. Gerade jetzt, wo das Ende seiner Amtszeit außer Frage ist, kann er wieder völlig frei von Ängsten agieren, so wie dies in der Wahlkampfphase, wo es “noch nichts zu verlieren galt”, möglich war. Es ist das, was Authentizität ausmacht, nämlich dass Denken, Fühlen und Tun eine Einheit sind, wir dies verkörpern und danach handeln. In solchen Momenten lassen wir uns von der Liebe führen und nicht von Ängsten, Hass.

Es geschehen immer wieder schreckliche Dinge auf der Welt, bei denen sich viele fragen: Wie kann das sein? Warum tut jemand so etwas? Diese Fragen sind im Grunde leicht zu beantworten. Es sind immer wieder Ängste, die Schreckliches hervorbringen. Auch wenn man das Morden des IS betrachtet: ganz oben sitzt jemand, der sich über „Machthaberei“ definiert, seinen Selbstwert dadurch generiert. Um diese Macht auch ausüben zu können, werden Menschen instrumentalisiert, indem ihnen ebenso Bedeutung und Sicherheit gegeben werden. Damit diese aber nicht zu bedeutsam werden können und diese sich nie zu sicher fühlen, wird auch auf dieser Ebene ein Klima der Angst geschaffen, damit die Unterdrückung und Machthaberei automatisch nach unten weitergegeben wird. Die Menschen werden immer mehr verunsichert, sind in Angst und sind paradoxerweise am Ende sogar froh, dass ihnen feste Strukturen - selbst wenn es unterdrückende sind - einen gewissen Halt vermitteln und innerhalb dieser Strukturen eine Art „geregeltes“ Leben möglich ist. Dass natürlich in diesem Klima der Angst mit vermeintlicher Sicherheit Menschen kontinuierlich traumatisiert werden, ist klar. Und dass in solch einem extremen Klima es immer schwer sein wird, aus dem „Teufelskreis von Opfer-Täter“ herauszukommen, ist ebenso verständlich.

Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir, die wir unter weniger extremen Bedingungen leben, die Chance nutzen, zu lernen und zu erleben, in Liebe zu denken, zu sprechen und zu handeln. So wie es die Angehörigen nach dem Massaker in Charleston getan haben: sie haben nicht zum Hass aufgerufen, sondern dem Täter vergeben. Die Angehörigen der Getöteten wissen um die Tatsache, dass sich auch der Täter letztlich auf den Weg hin zur Liebe machen muss, denn das ist unser Lebenssinn und eine universelle Gesetzmäßigkeit. Was für eine zukunftsweisende Geste.
Und natürlich werden die Angehörigen trotzdem trauern und mit dem Verlust ihrer Lieben leben müssen, jedoch werden sie hierfür die nötige Kraft haben, weil sie ihre Kraft nicht in den Hass gegenüber den Täter hineinlegen, sondern in einen liebevollen Umgang mit der ohnehin schweren Situation, die sie nicht mehr rückgängig machen können.

Zudem kann in einem erweiterten Kontext dieses Ereignis als Chance genutzt werden, mit verdrängter Geschichte neu umzugehen und vor allem neue Qualitäten vorzuleben.
Die Geste der Vergebung entzieht in allerletzter Konsequenz dem Hass den Boden, selbst wenn sich dadurch Menschen erst recht provoziert fühlen und meinen weiterhin Unfrieden stiften zu müssen, so ist es doch ein Anfang und hat eine wunderbare Vorbildfunktion. Dieses Leid, das durch Gewalt geschaffen wurde, kann niemals durch Gegengewalt kompensiert werden, weil dadurch immer wieder neues Leid - egal ob auf der Seite der Guten oder Bösen - geschaffen wird. An dieser Stelle sei die Zeile aus dem Gedicht “The people, yes” von Carl Sandburg genannt: “Sometime they’ll give a war and nobody will come”. Meist übersetzt mit: “Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin”.

Natürlich ist es für Menschen, die sich tagtäglich in ihrer Existenz bedroht fühlen schwierig, diese erweiterte Dimension zu erkennen, jedoch gerade in unserer Gesellschaft, in welcher es doch vielen nicht allzu schlecht geht, geht es darum, die Haltung von: „Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin“ zu verankern. Dazu gehört jedoch, dass unsere Werte neu sortiert werden. Denn im Moment wird auch bei uns ein: „Survival of the fittest“ gelebt und angepriesen und die herrschende Instabilität auf der Welt, die die riesigen Flüchtlingsströme zeigen, soll bestenfalls uns selbst nicht direkt betreffen.
Bildung wird in Zahlen von Pisastudien gemessen, schon Kleinkinder befinden sich im Wettbewerb mit anderen im Können von Englisch, Chinesisch, Klavier, Kinder-Uni und was immer das angeblich “Beste” für das Kind sein mag. Hier werden „herzlose Kopfgeburten” als Maßstab für ein erfolgreiches, glückliches Leben genommen. Doch wo wird die Basis allen Lebens mitgegeben. Wo erfahren diese wundervollen kleinen Menschen die völlig bedingungslose Liebe, die sie auch erhalten, wenn sie in den Augen der Eltern oder anderer versagen oder scheitern und die sie für sämtliche Herausforderungen im Leben stark macht, dann wenn sie ihren eigenen Weg gehen und sich selbst diese Liebe und den Selbstwert geben können sollten?
Mit welcher immenser Ausdauer lernt so ein kleiner Erdenbürger auf seinen zwei Füßen zu stehen und zu laufen. Es ist immer wieder ein Großereignis in der Familie, wenn es heißt: mein Kind läuft! Und doch übersehen wir später das unbändige Potenzial, das in diesen Kräften steckt bzw. lenken es in Bahnen, die das Kind nicht stärken, sondern in seiner Konstitution schwächen. Anstatt wir die Kinder darin unterstützen sich selbst wahrzunehmen, sich in ihrem Körper zu entdecken, ihre Sinne zu erfahren, reduzieren wir die Kinder auf zukünftige Leistungsträger mit Kopf. Unterhalb des Kopfes soll sich bestenfalls ein optimierter Körper befinden, jedoch ansonsten spielt der Mensch in seiner Gesamtheit nur eine untergeordnete Rolle. Doch wie kann Liebe und Selbstwert kultiviert werden, wenn wir nicht in der Lage sind, uns überhaupt selbst wahrzunehmen und gar nicht wissen wer wir sind, wem wir da eigentlich einen Selbstwert schenken dürfen? Und wie sollte dann in Folge Empathie für andere empfunden werden können, so dass wir eben nicht uns selbst nur dann einen Wert geben können, indem wir andere abwerten oder “ins Verderben stürzen” lassen?

In Wikipedia wird der Begriff „Empathie“ folgendermaßen definiert: „Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen. … Grundlage der Empathie ist die Selbstwahrnehmung: je offener man für seine eigenen Emotionen ist, desto besser kann man die Gefühle anderer deuten.“

Und hier angekommen möchte ich den Bogen zu meinen Abenden in Wendenreute schließen: Genau darum geht es mir, sich selbst wieder wahrzunehmen, jedoch das wahrzunehmen, was es hinter dem Vorhang von Ängsten, Wut, Kummer,… zu entdecken gibt. Es geht darum, den Vorhang zu öffnen und Liebe und Selbstwert die Bühne des Lebens rocken zu lassen. Viel Spaß dabei!

Passionsblume: beruhigt und löst Angstzustände

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